räumen – Studio Zeitgenössische Kunst

Die Ausstellung auf 2 Etagen ist in Ihrer Farbigkeit eher zurückhaltend, schwarz und weiß dominieren den ersten Eindruck, Naturtöne rutschen nach, grau, braun, Holz. Alle Objekte bewegen sich skulptural im Raum: schweben vor der Wand, schmiegen sich an Wände oder Laibungen, stehen und liegen im Raum, erklimmen Sockel.

Die Niederländerin Monique Kwist denkt mit ihren Arbeiten über die Tiefe und Stille nach. Prägedrucke ziehen Raumkonturen nach, nur nach oben offene Räume fangen Bewegungen ein. Die kleinformatigen Modelle erinnern an Architektur, zeigen aber sozusagen das Gegenteil: den Hohlraum zwischen oder in Gebäuden, Auf- und Abstiege in ein nach oben Geöffnetes. Die Niederländerin Kwist läßt ihre Skulpturen Halt finden auf Holzstücken und Sockeln, an Kanten des Raumes: diese Unterstützungen verwachsen mit den präzisen und archaischen Skulpturen, die tlw. aus Kunstharz mit Metallspänen schichtenweise aufgebaut werden. Andere Skultpuren sehen aus wie Abgüsse, genau und abstrakt zugleich – als Reliefs finden Sie sich zwischen den Modellen und geprägten Papierarbeiten.

Julia Gubitz, die Besitzerin dieses freien Galerie, zeigt Zeichnungen und skulpturale Arbeiten, die stark von der Linie, dem Bezeichnen bestimmt sind. Als Gegengewichte finden sich kleine kompakte Keramiken, die sich in ihren Stoffbezügen verstecken und dadurch Formverwandlungen erfahren. Die Bronzen sind raumgewordene Zeichnungen. Sie fahren Raumlinien ab, bilden skeletthafte Raumvorschläge en miniature. Anders als ihre Zeichnungen laden Gubitz‘ Skulpturen zum Anfassen, Anheben, mit der Hand Umfahren ein, um sie besser zu verstehen. Alle ausgestellten Werke kennzeichnet eine große Offenheit. Offenheit aus semantischer Mehrdeutigkeit, eine Offenheit zum Raum, der sich in den angedeuteten Raumkonturen frei schwingend bewegen kann, eine Offenheit der Form für unsere verschiedenen Lesarten, mögliche und unmöglichen Assoziationen. 

Stephan Wagners Holzarbeiten nehmen uns mit in eine andere Zeitlichkeit. Ihr Zwischenzustand auf der Mitte von Funktionalität und Rauheit läßt uns beide Enden des Entstehens mitsehen: das vorgefunden Holzstück und das Werkzeug. Und den Vorgang des Bearbeitens dazwischen, das sich handwerklich am Widerstand der Materie abarbeiten. Folgerichtig sind die kleinteiligen Objekte wie Fundstücke in einem archäologischen Museum präsentiert. Sie scheinen aus einer Zeit zu stammen, die wir nicht mehr erinnern, die aber noch unser Handeln prägt.

Von Louis Zoller raffinierten Umfahrungen auf dem I-pad oder mit dem Kugelschreiber habe ich leider kein Foto gemacht. Sie zeigen genau das Gegenteil: feine Linien umkreisen sich, bilden als Gruppen Zentren aus, deren symmetrische Lage an Chakren, Körper, Organisches denken macht. Die Liniengruppen stehen in Beziehung zueinander, sie ordnen sich vor unseren Augen neu und fortwährend um. Wir können durch die angedeuteten Aussenkonturen ins Räumliche hindurchblicken, irgendwann bleibt der Blick durch die Verdichtung der Striche aber auf der Blattoberfläche gefangen. Alles wirkt weich und bewegt, eine gewisse Unschärfe bei aller Präzision der Linien ist den Drucken eigentümlich, die andere Schwerpunkte auf dem Format, im Raum vorstellbar macht. Auch hier werden wir – wie bei Wagner – in den Entstehungsprozess mit hineingenommen und beginnen die Techniken in Gedanken fortzuspinnen.

Die Hängung schafft lebhafte Auseinandersetzungen zwischen den Arbeiten der vier verschiedenen VerfasserInnen. Der Raum zwischen den Aufstellungsorten vibriert, überall sind anregende Bezüge der Objekte hergestellt: unsere Blicke tasten Böden und Wände ab, messen Zwischenräume zwischen großen und winzigen Formaten, lassen sich von Linien gefangen nehmen, springen zurück zum gegenüberliegenden Kunstwerk.

Wenn sich das Erdgeschoss so energiereich beschreiben ließe, so ist das lichtdurch-flutete Obergeschoss stiller, ein Schatzkästlein voller Preziosen. Fast wie beim Juwelier stehen die tlw. polierten Bronzen von Julia Gubitz auf ihren weißen Erhöhungen. In kleinen Gruppen wie im Gespräch, nehmen sie sich zwar gegenseitig zur Kenntnis, aber mit höflichem Abstand. Ab und zu entdecken wir massive textile Skulpturen, breit gelagert auf Sofa und Sockel, die sich ebenfalls mit einschwingen auf diese Freude am zurückhaltenden Entdecken. Eine feine Stellungnahme zu den Möglichkeiten von Kunst als Gesprächspartner. Unbedingt ansehen. Mitten in der fachwerkhaltigen Altstadt von Salzwedel.


Ausstellung im Studio Zeitgenössische Kunst  05.04. bis 15.5.2024

Di-Do 14-17.00 Westermarktstr. 7 in 29410 Salzwedel

mit

Monique Kwist – Leere im Abdruck

Julia Gubitz – Aufbauten in der Fläche

Stephan Wagner – Werkzeug und Gestalt

Louis Zoller – Bionische Skizzen


https://julia-gubitz.de/ausstellungsraum/bildende.html

https://sculpture-network.org/de/event/71709/r%C3%A4ume-n

‚Schöne Bücher aus Brandenburg‘ am Welttag des Buches am 20.4.2024 von 10-16 Uhr in der SLB Potsdam

Am Samstag, den 20. April 2024, wird im Vortragssaal der SLB im Bildungsforum Potsdam von 10-16 Uhr bei freiem Eintritt die 2. Landesausstellung „Schöne Bücher aus Brandenburg“ stattfinden.


Anlässlich des Welttages des Buches 2024 laden die Stadt Potsdam und die Stadt- und Landesbibliothek Buchverlage 13 verlegende Autorinnen und Autoren, Buchkünstlerinnen und -künstler des Landes ein, ihre aktuellen Werke auszustellen. Buchenthusiasten, Bibliophile und Kunstfreunde, Neugierige sind im GroßenSaal der Stadt- und Landesbibliothek willkommen, sich ab 10 Uhr ein Bild von der thematischen Vielfalt und von der ausgeprägten Qualität der Buchkunst der Büchermacherinnen und -macher „von nebenan“ zu verschaffen. Seien Sie ausserdem ab 13.30 Uhr dabei, wenn wir unsere neuesten Auflagen-, Kleinserien- und Unikatbücher vorstellen. Kommen Sie mit uns ins Gespräch, streifen Sie die bereitliegenden Handschuhe über, um in kostbaren Unikaten zu blättern, und verlieben Sie sich in das eine Buch, das Sie vielleicht am Ende mit nach Hause nehmen.

Bitte beachten Sie auch die Lesung von Strauss Medien: am 19. April um 18 Uhr liest am selben Ort Stephan Veltens aus Briefen an seine Frau Gretel Schulze.

Falten Formen Fügen

Dieses pdf ist ein wunderbares Kompendium zum Werkstoff Papier. Und zwar Papier nicht als flaches Material zum Bezeichnen und Beschriften, sondern als dreidimensionaler Werkstoff zur Konstruktion von skulpturalen Räumen, szenischen Abfolgen oder strukturierten Oberflächen. Kein Wunder: das Buch ist aus der Zusammenarbeit zwischen Prof. Thomas Schmitz von der Architekturfakultät der RWTH und der ebenfalls in Aachen ansässigen Künstlerin Odine Lang entstanden. Über mehrere Semester haben sich Studierende der Architektur mit Faltwerken und klebstofffreien Fügungen von Papier beschäftigt. Entstanden ist ein 436 Seiten starkes Buch, das eine Vielzahl von Übungsaufgaben vorstellt, die das räumliche Denken der Studierenden schult. Zu sehen bekommen wir eine breite Palette von skulpturalen Objekten aus weißem Papier, die – bis auf wenige Ausnahmen – von Odine Lang vor hellgrauem Hintergrund so fotografiert sind, dass ihre Räumlichkeiten und Strukturen besonders gut zu erkennen ist.

Einzelne Arbeitschritte zeigen den Weg zum fertigen Ergebnis. Diese Anleitungen sind jeweils auf dunkelgrüner Fläche aufgenommen: das hilft, sich Grundlagentechniken schnell anzueignen. Sehr ansprechend leiten die Bilder durch die Themen. Wer es genauer wissen möchte, liest die informativen Textblöcke. Der Text ist ebenfalls zweifarbig gehalten: in schwarz lesen wir die Arbeitsanleitungen der Verfasserin, blau untertitelt sind die fertigen Arbeiten der Studierenden zu entdecken. Dieses Layout ist auch Hinweis auf die Eignung des Buches: man kann sich – den Kapiteln folgend – Stück für Stück einarbeiten oder – blätternd – Anregungen fürs eigene Tun in beliebiger Reihenfolge sammeln.

Nach einer gemeinsamen Einleitung beider Verfasser folgt ganz klassisch die Vorstellung der Materialien und Werkzeuge (es sind erstaunlich wenige beim Arbeiten mit Papier erforderlich), um dann die titelgebenden Techniken des Faltens, Formens und Fügens zu vertiefen. Eine kleine Zusammenstellung mit weiterführenden links und Büchern sowie eine Liste der beteiligten Studenten rundet dieses Nachschlagewerk ab.

Die einzelnen Kapitel sind mit weißen Großbuchstaben auf doppelseitigen grau-weißen Fotos beschriftet. Komplizierte Zeichnungen wie bei vielen Origami-Anleitungen sucht man in diesem Buch vergeblich. Eher zeichnet es sich durch eine sympathische optische Zurückhaltung und eine systematische Herangehensweise aus, die das eigene Ausprobieren in viele Richtungen öffnet.

Runterladen, Reinschauen und loslegen! Vorsicht: Papierfalten macht süchtig!


https://publications.rwth-aachen.de/record/960284

https://www.odinelang.de/de

https://www.kg.rwth-aachen.de/cms/KG/Der-Lehrstuhl/Team/~bbwac/Thomas-Heinrich-Schmitz/?allou=1

UN/FOLDED

‚Papier in Design, Kunst, Architektur und Industrie‘ lautet der Untertitel des von Petra Schmidt und Nicola Stattmann verfaßten Buches ‚Un/folded‘. Daher macht es Sinn, dass es 2009 bei Birckhäuser in Basel erschienen, einem schwerpunktmäßig architekturbezogenen Verlag. Der Untertitel beschreibt besser, worum es in dem Buch geht: nämlich Papier als innovativen Werkstoff in räumlichen Anwendungsbereichen wie Mode oder Bauwerken vorzustellen und für weitere Forschung und Entwicklung zu empfehlen.

Das Buch hat 2 Teile. Im ersten Teil wird unsere Lust am Staunen und Wundern befriedigt. Aus allen Teilen der Welt – aber mit deutlichem Schwerpunkt auf dem asiatischen Raum, der Ursprungsgegend von Papier – werden Projekte mit Bild und Text auf Einzel- oder Doppelseiten vorgestellt. Von verspielten Schmuckstücken zum Selbstbasteln über Lampen, Sitzmöbel bis hin zu Gebäuden ist alles vertreten, besonders verschiedenartig fallen die (weiblichen) Kleider aus, aber auch Notfalldecken sind dabei. Nicht alle Projekte sind Entdeckungen, Designer wie Miyake oder Jum Nakao sind schon lange in diesem Kontext bekannt. Schön sind die Ausreisser in die sechziger Jahre mit Ron Resch oder die aktuellen Arbeiten an den Hochschulen, die meisten Projekte sind aber um 2000 herum entstanden.

Der zweite Teil widmet sich beinahe wissenschaftlich dem Stand von neuen Ansätzen zur Papiergewinnung und ihrer Anwendung. Modifizierungen wie reißfestes Kraftpapier oder nachtleuchtende Sorten, bewitterungsgeeignete Papiere, antibakterielle Beschichtungen, feuerfest oder keramisch brennbar: Kurze Einleitungen fassen für Fachfremde die Faszination von Papier und seinen vielfältigen Materialqualitäten zwischen Weichheit und Festigkeit zusammen. Auch werden typische Bearbeitungsmöglich-keiten wie Spritzguß, Falten, Schneiden, Lasern vorgestellt.

Das ruhige Layout überascht mit zwei Besonderheiten: den knallorangen Vorsatzpapieren und dem gefalteten Umschlag, der – zum Plakat entfaltet – den Inhalt in komprimierter Form vorstellt: auf feinem silbrigem Papier finden sich alle Projekte aufgelistet. Gedruckt ist das Buch auf verschiedenen Papiersorten: einem typisch glänzenden Offsetpapier für den Katalogteil mit vielen (schwarzweissen wirkenden) Fotos und ein mattes, rauheres in chamois für den mehr schriftlastigen zweiten Teil. Kapitel werden jeweils mit schwarzen Seiten voneinander getrennt.

Die Typographie benutzt Flattersatz und mindestens 5 verschiedene Schriftgrößen. Die eng gesetzten Textblöcke erleichtern das optische Erfassen der gezeigten Projekte, erschweren aber das Lesen der Begleittexte. Das ist insbesondere im zweiten Teil auffällig, der sich angenehm ausführlich mit Materialien und Technologien befasst und damit eine Art Glossar der unterschiedlichen Werkstoffe aus Papier bietet.

Insgesamt ein sehr anregendes Kompendium zum Werkstoff Papier, das zudem die Begeisterung der beiden Verfasserinnen für seine dreidimensionalen Einsatzmöglich-keiten mitteilt. Petra Schmidt und Nicola Stattmann zeigen die vielfältigen zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten dieses nachwachsenden Werkstoffes mit jahrhundertealter Geschichte auf.


weitere Informationen unter https://birkhauser.com/de/books/9783034609067

Helga Schröder

‚Helga Schröder ist Malerin, Grafikerin, Buchkünstlerin. Das Wort und die Schrift sind die Inspirationsquellen ihres künstlerischen Schaffens. In der Synthese von Papierobjekt und Schriftkunst entsteht eine eigene spannungsreiche Bild- und Formensprache, die aus der Maltradition des abstrakten Expressionismus ebenso schöpft wie aus dem Vokabular der europäischen und außereuropäischen Schriftkunst.‘ https://www.wochenanzeiger.de/article/41649.html (undatiert)

Das hier vorgestellte Unikat-Buch von Helga Schröder heißt ‚Wind, Sand und Sterne: vom Fliegen‘ und stammt aus dem Jahr 1993. Blautöne dominieren auf leicht gilbem Papier. Schröder verwendet sowohl die Collage von verschiedenen transparenten, zusätzlich bezeichneten oder beschrifteten Papieren wie auch Feder- und Pinselzeichnungen direkt neben und auf den gedruckten Schriftblöcken. Beides verweist auf ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Papier als vielfältigem Material: ein Arbeitsaufenthalt in Japan diente dem Erlernen des Papierschöpfens. Der Textauszug ist von Antoine de Saint-Exupéry: Terre des hommes, ins Deutsche übersetzt von Henrik Becker. Verschiedene Schattierungen von Himmelblau öffnen die ziemlich festen Buchseiten ins Leichte und Ätherische, was im Titel anklingt und Saint-Exupéry typisch wäre. Gleichzeitig verweisene mit dem Blick aus dem Flugzeug auf die blau schimmernden Wasserflächen der Erde. Alles eine Frage der Persepktive.

2003 hatte die in Berlin geborene Helga Schröder eine Einzelausstellung in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel: https://diglib.hab.de/periodica/wbi/2002_2003-27_28-1_2/s26-27.pdf. Ob dabei auch dieses Buch ausgestellt oder erworben wurde, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Auch über Helga Schröder selbst findet sich im Netz nur wenig, später soll sie in Bremen gelebt haben, dazu paßt die Ausstellung 2004 in der Städtischen Galerie Bremen.

‚Die 1933 in Berlin geborene Helga Schröder hat über einen der Wegbereiter der Pop-Art, Eduardo Paolozzi, die Herstellung von handgeschöpften Papier gelernt. Schließlich eröffnete sich ihr über die Arbeit an zahlreichen Buchprojekten der Zugang zu den raumgreifenden Papierobjekten, die sie bis heute anfertigt.

Durch die Wahl des Papiers und dessen ästhetischen Reize erlangen die Arbeiten eine besondere Authenzität. Helga Schröder verwendet Papiersorten wie Japanpapier, Papyros oder handgeschöpfte Papiere, die sie selber herstellt, und benutzt diese als Bildträger für Texte oder semantische Einheiten. Schrift und Papier, diese jahrtausendalte Einheit verschmelzen bei der Künstlerin zu Wortbildern mit einer gestischen Malweise, die eine ständige Grenzüberschreitung grafischer und malerischer Mittel darstellt, eine Überschreitung, die hoch verdichtete, zwischen Bedeutung und Unbestimmtheit changierende Komposition schafft.‘ zitiert nach https://www.staedtischegalerie-bremen.de/archiv/archiv-2004/helga-schroeder-renate-kornacker/

Einzelne Bücher von Helga Schröder sind noch antiquarisch erhältlich.

Fotografiska Berlin

‚THE CONTEMPORARY MUSEUM OF PHOTOGRAPHY, ART AND CULTURE‘ beschreibt sich die Einrichtung selbst auf der website. Die Eröffnungsausstellung der neuen Filiale in Berlin – weitere befinden sich in Stockholm, New York, Tallin, Miami und Shanghai – des 2010 gegründeten schwedischen Konzerns Fotografiska bietet mit seinen drei zeitgleichen Ausstellungen einen Querschnitt durch aktuelle Fotografie. Mit seinem zentralen Standort im ehemaligen Tacheles (das Treppenhaus befindet sich im Originalzustand der 80ziger Jahre Häuserbesetzung, drumherum reichlich gesichtslose Berliner Investorenarchitektur) in der Oranienburger Strasse 54, gut fußläufig von der Friedrichstrasse zu erreichen. Ein Café im Erdgeschoss und ein Speiselokal in den Obergeschossen sowie die langen Öffnungszeiten von 10 bis 23 Uhr weisen die Zielrichtung: ein Treffpunkt zu werden, ein Ort des Feierns und Austauschens. An diesem Winterabend ist es vor allem eins: dunkel. Drinnen und draussen

Thematisch geht es um sexuelle Identität und Rassismus, formal werden vorwiegend wandhängende Arbeiten durch Installation und Bildcollagen ergänzt. Einzelne Aufnahmen stehen Bildgruppen gegenüber, die weltweit eingesammelt wurden.

Die im Zusammenhang mit dem Gazakonflikt 2023 von anderen Fotoausstellenden tlw. wieder ausgeladene südafrikanische Künstlerin Candice Breitz, die in Berlin lebt, zeigt mit ‚Whiteface‘ (2022) einen wunderbaren Beitrag über Alltagsrassismus. Leider nur bis zum 14.1.24 war sie selbst in weißem Hemd und mit verschiedenen wasserstoff-blonden Perücken in Porträts und Videosequenzen in einer Studiosituation zu sehen, in der sie Audioschnipsel und Vorschläge zu Menschentypen weißer Hautfarbe verband. Die/Das Dargestellte/n verstrickte/n sich so in Gegensätze miteinander. Die sehr unterschiedlich wirkenden Gesichts- und Körpersprachen von Breitz passten mit den Texten der verschiedenen SprecherInnen ebensowenig zusammen wie die Stimmen zu den vorgestellten Personen. Ganz nebenbei eine Untersuchung über Geschlechtererwartungen, Rolle und Repräsentation.

Ebenfalls bis 14.1.24 lief USSYPHILIA von Juliana Huxtable, eine Art Beschreibung ihres eigenen Lebens als schwarze Transfrau. Künstlerisch ist das layering interessant, das zwischen Malerei, Bodypainting, Selbstinszenierung und Foto hin und her pendelt und Fragen zur Wahrnehmung stellt: wo ist unsere Realität, wo die der Künstlerin. Entsprechend zeigen auch einige Bilder mehrere materielle Schichten, klappen collagenhaft aus ihrem Kontext heraus. Im Kontrast zu den farbreduzierten Aufnahmen von Breitz fallen Huxtables Arbeiten durch Buntheit und Muster auf.

Bis 28.1.2024 läuft noch die GRuppenausstellung NUDE. >’Nude‘ is a Fotografiska international show featuring the works of 30 female-identifying artists from 20 different countries challenging traditional constructs around body politics. Through a diverse range of creative approaches, the artists explore the complexities surrounding the portrayal of nudity in art – and challenging the historical constraints attached to it.< (zitiert von website am 17.1.24 https://www.fotografiska.com/berlin/exhibitions/nude/) Besser kann ich die Vielfalt der Positionen nicht beschreiben, deshalb zwei Bilder.

https://www.fotografiska.com/

Klangwelten – Bildkosmen

Diese Ausstellung in der Frankfurter Rathaushalle läuft vom 3.9.2023 – 14.1.2024 und ist damit leider schon fast vorbei. Dennoch möchte ich nicht versäumen, die Zusammen-stellung aus den Sammlungen der brandenburgischen Landesmuseen zum Thema ‚Musik in der Kunst‘ vorzustellen, denn es handelt sich um eine überzeugende – wenn auch nicht ganz aktuelle – Auswahl aus allen Genres der Kunst. ‚World Framed‘ im Berliner Kupferstichkabinett verfolgte im vergangenen Herbst ebenfalls dieses Thema, allerdings mittels Zeichnungen aus dem Besitz der Scheringstiftung.

Beide Ausstellungen setzen eine Übergangsmöglichkeit zwischen Musik und Kunst voraus. Worin diese bestehen könnte, fasst jeder Künstler verschieden auf. Waren in Berlin zeichnerische Notationen von Musik oder ihren Aufführungen ein Thema, so sind in Frankfurt Instrumente und Musiker Bildgegenstand. Einige Installationen verbinden Raum und Klangerzeugung. Andere untersuchen Rythmus und Strukturen von Musik, hier die Arbeit von Anna Werkmeister, die verschiedene Zeitstrukturen auf Acrylplatten überträgt, die zudem in einem Guckkasten hintereinander schaltbar sind und damit ihr gleichzeitiges Stattfinden zeigen. Ob es sich dabei um Musik oder Sprache handelt, mag jeder Besucher selbst entscheiden. Ebenso ob die gewählten Farben Stimmungen entsprechen.

Im hinteren Raum der Rathaushalle ist eine kleine Plakatausstellung entstanden, die zu vergangenen Konzertreihen mit vielfältigen Bildsprachen einlädt. Auch gibt es etliche Plattencover – für echte und für vorgestellte Musik – zu bestaunen. Das Ausstellungsplakat von Hans Ticha zeigt, dass Musik durch den Körper geht. Eine schwarzweisse Fotoserie von Evelyn Richter ‚Fries der Lauschenden‘ beobachtet Musiker beim Zuhören. Begrüßt werden die Besucher von einem ungestüm gestischen Bild von Erika Stürmer-Alex. Überall sind Entdeckungen zu machen: Eine feingliedrige Graphik von Willi Sitte, Gemälde von Bernhard Heisig und auch diese kleinere Graphik von Wolfgang Smy, die sich mit der Situation eines Konzertes befaßt.


https://www.blmk.de/programm/klangwelten-bildkosmen-musik-in-bildender-kunst/

Helm und Kopftuch

Seit dem 29.9.2023 zeigt das Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte eine Ausstellung zum Thema Transformation. Christina Glanz begleitet seit 30 Jahren die Veränderungen am Industriestandort Lauchhammer. Ihre vorwiegend schwarz-weißen Fotos zeigen hauptsächlich Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Über mehrere Jahre hat Christina Glanz an ihrem Arbeitsalltag teilgenommen, mit ihnen gesprochen, Typisches wie Kopftücher gegen den Kohlestaub eingesammelt. Wir sehen ganze Belegschaften und einzelne Personen. Christina Glanz ist dicht an den Porträtierten dran, meist blicken sie direkt in die Kamera, die Bilder strahlen eine große Ruhe, aber auch Skepsis aus.

Das liegt auch an den besonderen Umständen, denn Glanz fotografierte, wie Mitarbeiter Kündigungen entgegengenehmen oder wie die letzte Schicht abläuft. Nur wenige Aufnahmen zeigen den Arbeitsort, wenn dann als Relikt abgebauter Maschinen oder Hintergrund einer Gruppenaufnahme. Dann entsteht ein Gefühl für die Größe der Anlagen. Sehr deutlich kommt auch die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Arbeit zum Ausdruck. Es handelt sich um bislang unveröffentliches Archivmaterial der 1946 geborenen Oranienburger Architektin, die sich später an der Kunsthochschule #Weissensee zur Fotografin ausbilden ließ. Diese zeitgeschlichtlichen Dokumente samt den von Glanz geführten Inteviews bleiben in einem aufwändigen Katalog zugänglich, wenn die Ausstellung am 24.3.2024 abgebaut wird.


Weitere Informationen auf der Museumswebsite, die hier nicht angezeigt werden darf.